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Wissenschaftliche Basis

Modellrechnungen mit einem Klimaszenario von 0.022 °C Temperaturanstieg pro Jahr zufolge, kann eine ganzjährig schneebedeckte Fläche von 0.8 km2 den Schwund des Morteratschgletschers innerhalb von 10 bis 15 Jahren massiv abbremsen.

Wenn man das massenweise anfallende Schmelzwasser des Gletschers möglichst hoch oben sammeln, in Form von Schnee wieder recyceln und so dem Gletscher zurückgeben würde, könnte das Gletscherschmelzen verzögert werden – der Begriff «Schmelzwasser-Recycling» entstand. Was passiert also, wenn man Gletscher mit Schnee abdeckt? Das war eine zentrale Frage, die sich der Glaziologe Felix Keller an der Academia Engiadina in Samedan zusammen mit Johannes Oerlemans von der Universität Utrecht (NL) im Auftrag der Gemeinde Pontresina seit 2015 stellte. Es folgten zahlreiche Studien und Feldversuche im Oberengadin und eine rechnerische Machbarkeitsstudie wurde durchgeführt und wissenschaftlich publiziert (Oerlemans et al., 2017). Als deren Grundlage diente die weltweit längste Energiebilanz-Messreihe auf einer Gletscherzunge, welche vom Team von Johannes Oerlemans auf dem Morteratschgletscher (seit 1995) gemessen wurde. Zudem liegen aus dem Schweizerischen Gletschermessnetz Längenmessungen seit 1878 vor. Es konnte rechnerisch dargelegt werden, dass unter den heutigen Bedingungen sogar ein Gletscherwachstum (Zunahme der Länge) in 10 Jahren möglich sei, wenn man 10 % der Gletscherfläche mit Schnee ganzjährig abdecken würde.

Schneeproduktion ohne Strom

Es braucht Gletscherschmelzwasser, eine Strahlpumpe, genügend Wasserdruck und eine raffinierte Technologie für die Schneeproduktion ohne Strom. NESSy ZeroE heisst die bahnbrechende und bereits patentierte Entwicklung. Damit kann klimaneutral und umweltfreundlich der schützende Schnee hergestellt werden.

Die Glaziologen

Johannes Oerlemans

Ein Niederländer kennt den Morteratschgletscher wie kaum ein Einheimischer, denn für Holland ist es nicht unwesentlich wie schnell der Meeresspiegel in folge globaler Eisschmelze ansteigt.

Portrait Johannes Oerlemans

Der Meteorologe und Geophysiker entwickelte Computermodelle und betrieb Feldstudien zum Abschmelzen der Gletscher. Er war es welcher die weltweit längste Energiebilanz-Messreihe auf einer Gletscherzunge aufbaute. Ohne seine wertvolle wissenschaftliche Aufarbeitung seit Jahrzehnten wäre MortAlive nicht entstanden.

Werdegang
Prof. Dr. Dr. h.c. Johannes Oerlemans studierte Geophysik und Mathematik an der Universität Utrecht (NL), und promovierte in 1980 summa cum laude zum Thema «Some model studies on the ice-age problem». Viele Jahre leitete er das «Institute for Marine and Atmospheric Research» IMAU und baute eine Forschungsgruppe auf, die mit verschiendensten Methoden (Feldarbeiten, Fernerkundung, Komputermodelle) die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Meeresspiegel und Gletscherschwankungen untersucht. Seit 1995 arbeitet er auf dem Morteratschgletscher und organisiert jährlich eine Masterclass für Glaziologen, wofür die International Glaciological Society ihm in 2019 den «Richardson Medal» vergab.

Felix Keller

Fragen mich die Enkelkinder einmal: «Grossvater, wenn ihr schon gesehen habt, dass die Gletscher schmelzen, was habt ihr unternommen?» Dann möchte ich nicht sagen müssen: «Nichts.»

Portrait Felix Keller

Dem 58-jährigen Engadiner aus Samedan kam beim Fischen die ursprüngliche Idee des Schmelzwasser Recyclings. Bei der nächsten Musikprobe des Duos Tango Glaciar entstand kurz danach die erste befruchtende Diskussion mit Johannes Oerlemans, welcher sofort begeistert war. Im Gemeindevorstand von Pontresina erhielt diese gewagte Vision rasch Unterstützung. Mit viel Networking gelang es ihm dann, neben den Bergbahnen im Oberengadin (Diavolezza, Corvatsch) auch die beiden Schweizer Industriepartner Bartholet Maschinenbau AG und Bächler Top Track AG und weitere Hochschulpartner zu gewinnen.

Werdegang
Dr. sc. nat. ETH Felix Keller promovierte an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich zum Thema «Interaktionen zwischen Schnee und Permafrost». Seit über 20 Jahren ist er Co-Leiter des Institutes an der Academia Engiadina. 2004 erhielt an der ETH Zürich einen Lehrauftrag für Fachdidaktik Umweltlehre. Beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation ist er als Leitexperte tätig. 2017 wurde er Präsident des Vereins GlaciersAlive, welcher sich um Fragen des Wassermanagements im Zusammenhang mit Gletschern im Hochgebirge kümmert.